Die Belagerung Stadtilms während des Schwarzburgischen Hauskrieges

Am 30.6.1450, während des sächsische Bruderkrieges (1446-1451), erschien der Kurfürst Friedrich II. von Sachsen (der Sanftmütige, * 22.8.1412 Leipzig,  7.9.1464 Leipzig), mit 18.000 (nach anderen Quellen 1.800) Mann vor Stadtilm und ließ die Stadt mit einer „Donnerbüchse“ beschießen. (Das Handrohr, auch Hand-, Stangen- oder Donnerbüchse; kurze Version Faustrohr, Faustbüchse; Spezialversionen Feuer- oder Kugellanze, Orgelbüchse, Standrohr, war die erste Handfeuerwaffe, die von einem Mann allein transportiert und abgefeuert werden konnte. Wikipedia)

Zeichnung Einsatz von Handrohren (Donnerbüchsen) bei der Belagerung einer Burg, 1475. So könnte die Belagerung Stadtilms 1450 ausgesehen haben.

Der Schwarzburgische Hauskrieg.
In der Mitte des 15. Jahrhunderts entbrannte im damals in drei Grafschaften (Schwarzburg, Blankenburg und Leutenberg) zerteilten Schwarzburg Land eine Fehde zwischen den dem Haupt der Schwarzburger Linie, Graf Günter, und dem Haupt der Blankenburger Linie, Graf Heinrich. Graf Günter, der ohne männlichen Nachkommen war, hatte mit dem Grafen Heinrich einen, durch den Kaiser Sigismund bestätigten, Erbvertrag geschlossen. Kraft des Vertrages sollte das Amt Schwarzburg nach dem Aussterben der Schwarzburg Linie dem Grafen von Blankenburg zufallen. Günter änderte später seine Meinung und wünschte, dass seine Güter seinen Schwiegersöhnen (den Grafen von Gleichen und dem Herrn von Gera) zufallen sollten. Da er aber fürchtete, diese würden nicht im Stande sein, das Ererbte gegen die Ansprüche des  mächtigen Grafen Heinrich zu behaupten, verkaufte er das Amt an den Kurfürsten Friedrich von Sachsen.
Graf Heinrich beschloss daraufhin, sein Recht mit Gewalt einzufordern. Er fiel 1448 in Günters Grafschaft ein und plünderte im Mai 1448 Königsee. Viele weitere Dörfer wurden in der Folgezeit geplündert und gebrandschatzt.
In der Zwischenzeit war Graf Günter gestorben (1450).
Kurfürst Friedrich, der Aufgrund der Bedrohung durch die Böhmen bisher keinen Beistand leisten konnte, brach 1450 mit 18.000 Mann (Über die Größe der Streitmacht gibt es keine verlässliche Aussage, es könnten auch nur 1.800 Mann gewesen sein.) auf, um Graf Heinrich zu strafen.

Berthold Sigismund beschreibt die Ereignisse in seiner „Landeskunde des Fürstenthums Schwarzburg-Rudolstadt“ wie folgt: Am 23. Juni 1450 brach der Kurfürst von seinem Lager bei Pforta auf und zog Ilm aufwärts bis vor Stadtilm. Mehrere Orte wurden unterwegs durch seine Schaaren geplündert und verheert, Meuchlitz und Walschleben sollen damals zu Wüstungen geworden sein. An der festen Stadt Ilm brach sich indeß seine Macht; er belagerte sie drei Wochen lang, aber ihre Besatzung unter der sich einige Rathsmeister (Simon Stuff, Heinrich Sintrum und Heinrich Schmied) hervorthaten, hielt sich so wacker, daß die Belagerung am Marientag aufgegeben werden mußte. … In Stadtilm wurde zum Andenken der glücklich bestandenen Gefahr eine ewige Prozession gestiftet, für welche der Rath dem Probst, den Capellanen und allen Vikarien ‚ewiglich ein Stübchen (Das Stübchen war ein deutsches Flüssigkeitsmaß, insbesondere für Wein, Branntwein und Bier. Die Größe war regions- und flüssigkeitsabhängig, z.B. Erfurt: 1 Eimer = 7093 Zentiliter = 21 Weinstübchen Wein) des besten zu verehren‘ versprach.“ – Sigismund bezog sich in seiner Beschreibung augenscheinlich auf die Ausführungen des Olearius, Johann Christoph.

Eine weitere zeitnahe Beschreibung der Geschehnisse findet man in der Chronik von Hartung Cammermeister (Die Chronik Hartung Cammermeisters, Entstehungszeit: um 1442-1467, Berichtszeit: 1440-1467, Hartung Cammermeisters, Geb. um 1375, Bürger von Erfurt, seit 1442 Ratsmitglied in Erfurt, zwischen 1447 und 1465 mehrfach Bürgermeister der Stadt Erfurt. † 1467 März 15.), in Geschichtsquellen Provinz Sachsen, 35 (1896), Seite 104 (Robert Reiche , Historische Kommission der Provinz Sachsen). Hier kann man folgendes lesen:

Herzog Friedrich von Sachsen zog mit seinem Heere nach Thüringen und zog „vor das stetichin Ylmen uf graven Heinrich von Swartzpurg unde schosszin mit buchszen vaste doryn; nu woren so vil trefflicher lute dorinne, die das weretin, das sie musten abe zeihen, abir ein teil Dorffer wurden von yn dorumb gebrannt.“

Olearius, Johann Christoph (*1668 – †1747, deutscher Theologe, Numismatiker, Hymnologe und Historiker) beschreibt in seinem 1704 verlegten Werk „Hall. Sax. Rerum Thuringicarum Syntagma“ die Ereignisse ebenfalls. Dabei bezieht er sich auf die Ausführungen des Georg Fabricius (*23. April 1516 – † 17. Juli 1571, protestantischer deutscher Dichter, Historiker, Epigraphiker und Antiquar) und auf ein altes Protokoll aus dem Stadtilmer Rathaus.

Die betreffenden Passagen können unter diesem Link nachgelesen werden: http://archive.thulb.uni-jena.de/hisbest/rsc/viewer/HisBest_derivate_00010267/Mono_VD17_19343833X_1704_01_0238.tif

Aus dieser Geschichte entstand vermutlich die Sage: „Das letzte Schwein der Stadtilmer“.

Demnach schlachteten die Stadtilmer das letzte in der Stadt befindliche Schwein und feierten ein Fest, bei dem auch Bratwürste gebraten wurden. Die ebenfalls am Ende ihrer Vorräte angelangten Belagerer sahen die Rauchwolken, rochen den Duft der Bratwürste und meinten Stadtilm noch für lange Zeit gut versorgt, so dass sie die Belagerung aufgaben.

Das erste überlieferte Bratwurstrezept stammt aus dem ersten römischen Kochbuch von Apicius aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. Deutsche Kochbücher des Mittelalters, der Renaissance, sowie österreichische Kochbücher des 19. Jahrhunderts empfehlen auch bereits Fleisch zur Herstellung von Bratwürsten.
Die erste urkundliche Erwähnung findet man in einem Eintrag über die Ausgabe von 1 Groschen, in einer Probsteirechnung des Arnstädter Jungfrauenklosters im Januar 1404. „I g vor darme czu brotwurstin“ (1 Groschen für Bratwurstdärme).

Noch heute prägt die Stadtmauer und einige sehr gut erhaltene Wehrtürme das Stadtbild:

2012 drehte der mdr für die am 28.05.2012 ausgestrahlte Dokumentation „Wie die Thüringer Bratwurst in Stadtilm Frieden stiftete“ mit Janine Strahl-Oesterreich – Rätsel, Mythen und Legenden – in Stadtilm. In der Programmankündigung ist folgendes zu lesen:

In alter Zeit rühmte sich Stadtilm als die Stadt der sieben Wunder. Doch das im reizvollen Ilmtal gelegene Städtchen ist nicht nur wegen seiner wundersamen Bauwerke bekannt, sondern vor allem wegen seiner listigen und wehrhaften Bürger. Noch heute erzählen sich die Stadtilmer eine tollkühne Geschichte, nach der die berühmte Thüringer Bratwurst nicht etwa dem Fleischer, sondern dem Kriegshandwerk zu verdanken ist. Und das hat folgende Bewandtnis: Einst musste sich die Stadt vieler Feinde erwehren. Als den Feinden die Erstürmung der wuchtigen Stadtmauer misslingt, beschließt der Fürst, die Stadt zu belagern und auszuhungern…

Bald hungern nicht nur die Stadtilmer, sondern auch die Belagerer. Dann aber geschieht auf den Mauern von Stadtilm ein Wunder. Nicht Schwerter oder Lanzen schlagen die Feinde in die Flucht. Es ist eine Schweinswurst, die das Morden stoppt und Frieden bringt in jener Schicksalsnacht von Stadtilm. Anno 1450. So geht die Sage.

In jener Nacht nämlich haben die Stadtilmer eine pfiffige Idee. Sie schlachten das letzte Schwein und feiern ein zünftiges Thüringer Schlachtfest. Die würzigen Nebelschwaden verbreiten sich auch über die Mauern und untergraben die Moral der Belagerer und beweisen ihnen wohl, dass die Stadt nicht einzunehmen ist. Wie immer prüft Janine Strahl-Oesterreich den möglichen Wahrheitsgehalt der Sage: Denn Tatsache ist, dass von 1447 bis 1451 der Schwarzburger Hauskrieg stattgefunden hat. Verbürgt ist auch, dass Truppen des Kurfürsten von Sachsen Stadtilm belagert haben. Heftig umstritten ist aber, wo die Bratwurst das erste Mal gebrutzelt wurde. War es in Gotha, in Jenaprießnitz, in Erfurt oder eben in Stadtilm?
Mit Hilfe von Heimatforschern, den Freunden des Vereins Thüringer Bratwurst e.V. und Wissenschaftlern findet die Sendung mögliche Erklärungen, wie sich über die Zeit unterschiedliche Legenden zur Herkunft der Thüringer Spezialität herausbildeten und welche Rolle Kriegslisten spielten. Natürlich stattet Janine Strahl-Oesterreich auch dem ersten Thüringer Bratwurstmuseum in Holzhausen einen Besuch ab und lässt es sich nicht nehmen, eine Vielzahl von Bratwurstbräuchen und -traditionen aufzuspüren. Sie stöbert in alten Kochbüchern nach leckeren Rezepten über die beliebte Thüringer Köstlichkeit. Unterdessen hat die Bratwurst auch in unserem Liedgut Einzug gehalten. Und so nimmt es nicht wunder, dass in der Sendung auch pfiffige und unterhaltsame Lieder zum Thema erklingen.

Seit August 2019 erinnert eine Bronzeplastik an der Stadtmauer am Zinsboden an die Sage vom letzten Schwein der Stadtilmer.

Dieser Artikel wurde zuletzt am 20. April 2022 aktualisiert.