Velocipedfahrer in Stadtilm

Im Stadtilmer Anzeiger war 1885 zu lesen: Am Sonntag, dem 26.4.1885, passieren etwa 6 „Velocipedfahrer“ (Radfahrer) aus Rudolstadt kommend Stadtilm, um nach Arnstadt weiter zu „reiten“.

Der Namen Vélocipède basiert auf der 1817 in Frankreich patentierten Laufmaschine des deutschen (badischen) Forstlehrers Karl Drais. Die von Drais selbst so genannte Laufmaschine hieß später ihm zu Ehren auch Draisine. Die deutsche Bezeichnung Fahrrad für ein Zweirad entstand erst am Ende des 19. Jahrhunderts.

Fahrräder kamen in der Folgezeit auch in Stadtilm in Mode und wurden zum allgemeinen Verkehrsmittel. Von 1896 bis 1923 musste durch Radfahrer ein „Führerschein“ erworben werden, die sogenannte „Radfahrkarte“, um auf öffentlichen Straßen mit dem Rad fahren zu dürfen. Die Karte musste alljährlich neu beantragt werden.

Radfahr-Reigenmannschaft 1919
Auch sportlich setzte sich das Fahrrad in Stadtilm durch. 1902 wurde der Radfahrerverein „Pfeil“ gegründet und innerhalb der Freien Turner gab es Radfahrer-Reigenmannschaft Vorwärts (gegr. 1907, Foto  von 1919).
Auf dem Foto von links: H. Fiedler, Fr. Herwagen, A. Kiesewetter, Paul?, O. Grassau, W. Langbein, G. Ehrhardt, W. Herwagen, H. Herwagen  

1920-RadfahrkarteRadfahrkarte „Staat Preußen No. 385“ mit Vordruck für die 1920er Jahre für „Die Polize-Direktion in Celle, ausgestellt am 7. September 1920. 

Gesetz für Radfahrer von 1887
Das Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt, zu dem auch Stadtilm gehörte, verabschiedete am 10.8.1887 ein Gesetz, in dem geregelt war, wie sich Radfahrer im Straßenverkehr zu verhalten hatten.

§ 1 Bürgersteige, Chaussee-Banketten und Fußwege dürfen mit Velocipeden nicht befahren werden.

§ 2 Der Radfahrer hat während der Fahrt die rechte Fahrbahn einzuhalten und begegnenden Fuhrwerken oder Reitern nach rechts auszuweichen.

Das Vorbeifahren an eingeholten Fuhrwerken oder Reitern hat gleichfalls auf der rechten Seite zu erfolgen. An entgegenkommenden und an eingeholten Fuhrwerken und Reitern darf nur mit mässiger Fahrgeschwindigkeit in angemessener Entfernung und von mehreren Radfahrern nur hintereinander in einfacher Reihe vorbeigefahren werden. Bei Strassen- und Wegekreuzungen innerhalb der Ortschaften ist langsam zu fahren.

§ 3 Jedes in Fahrt befindliche Velociped muss mit einer Signalglocke versehen und in der Zeit der Dunkelheit (von der ersten Stunde nach Sonnenuntergang bis zur letzten Stunde vor Sonnenaufgang) mit einer hellbrennenden, deutlich sichtbaren Laterne erleuchtet sein.

§ 4 Jeder Radfahrer hat die von ihm eingeholten und während der Dunkelheit auch die ihm begegnenden Fussgänger, Reiter und Fuhrwerke durch Glockensignale und, im Falle der Verhinderung hieran, durch Pfeifsignale auf seine Annäherung aufmerksam zu machen.

§ 5 Der Radfahrer hat alles zu vermeiden, was geeignet wäre, das Scheuwerden von Pferden und anderen Zugtieren zu veranlassen.

§ 6 Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen der gegenwärtigen Verordnung unterliegen der Bestrafung nach § 366 Ziffer 10 des Reichsstrafgesetzbuchs.

Rudolstadt, den 10. August 1887.
Fürstlich Schwarzb. Ministerium.
v. Bertrab.

Dieser Artikel wurde zuletzt am 18.März 2015 aktualisiert.